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Harald Sicheritz de
leer
Clara Immerwahr
Der Spiegel (Mai 2014) 

Chemie ist, wenn es knistert. Zwei verliebte junge Leute stehen in einem Labor dicht beieinander. Er schüttet zärtlich irgendwelche Flüssigkeiten in einem Röhrchen zusammen, bis darin die Funken schlagen, sie rennt aufgeregt vor die Tür und ruft verzückt: „Er hat ein Gewitter gemacht, mit Kaliumpermanganat!“ Chemische Verbindungen klingen in diesem Film wie Liebesbekundungen.

Erzählt wird die Geschichte der Chemikerin Clara Immerwahr und ihres Mannes Fritz Haber.
Sie ist im Jahr 1900 die erste Frau, die an der Universität Breslau im Fach Chemie promoviert. Er der Miterfinder des Haber-Bosch-Verfahrens, durch das im Ersten Weltkrieg sowohl Düngemittel als auch Sprengstoff hergestellt werden.
Wichtiger aber noch: Haber war auch Schöpfer einer Chlorgaswaffe, die von den Deutschen erstmals 1915 an der Westfront eingesetzt wurde und neue Dimensionen der Massentötung eröffnete. Immerwahr und Haber, das ist eine Liaison, in der quasi alle Widersprüche des beginnenden 20. Jahrhunderts durchgespielt werden; eine Beziehung, in der humanistischer Aufbruch und Fortschrittsstimmung genauso ihren Platz haben wie ideologische Verblendung und Vernichtungswille.

Beachtlich, wie souverän die beiden Hauptdarsteller über weite Strecken diese Komplexität des Stoffes ausspielen:
Katharina Schüttler gibt Immerwahr als unerschrockenes Chemiewunderkind, das sich zwar durchs Reagenzglasknistern des Galans verführen lässt, das aber auch früh das destruktive Potenzial von dessen Schaffen erkennt.
Maximilian Brückner spielt Haber als Wissenschaftler, der im Gegensatz zu anderen großen Geistern seiner Zeit immerhin so offen war, seine Frau an seinen Forschungen teilhaben zu lassen, der sie aber sofort aus dem Labor verbannte, als industrielle und ideologische Taktgeber die Gattin in ihrem humanistischen Ansinnen als Gefahr sehen.