Kopf des Tages – erfolgreichster Guerilla im Austrokino
von Claus Philipp, erschienen in Der Standard vom 14.9.2002
Besucherzahlen, man darf es getrost sagen, sind im österreichischen Spielfilm nur bedingt ein Thema. Von den 50 besucherstärksten Produktionen der letzten 20 Jahre, die das Österreichische Filminstitut auf seiner Homepage auflistet, konnten nur 15 mehr als 100.000 Kinogeher verbuchen.
Jetzt sind es 16 – die Komödie Poppitz hat soeben binnen drei Wochen die magische Schwelle von 300.000 Besuchern überschritten, und das heißt gleichzeitig auch: Der Regisseur Harald Sicheritz hat seine Ausnahmestellung im Bereich der hierzulande produzierten Film- und TV-Unterhaltung bestätigt. Damit ist er weiterhin eine „Ausnahme“, die dem Publikum kaum auffällt, denn: Redet man von Poppitz und Hinterholz 8 (618.000 Besucher), dann redet man von Roland Düringer. Denkt man an Wanted (187.000 Besucher) und Freispiel (174.000 Besucher), dann denkt man an Alfred Dorfer. Wenn man im Fernsehen MA 2412 schaut, sieht man: Dorfer und Düringer!
In Rezensentenkreisen subsumiert man das unter dem Slogan „Österreichischer Kabarettfilm“, den wiederum hat Harald Sicheritz mitbegründet, und zwar 1993 mit der Komödie Muttertag, mit der Dorfer, Düringer und die anderen Mitglieder der Gruppe „Schlabarett" immerhin schon 88.000 Menschen ins Kino lockten.
Reden wir also über Harald Sicheritz. „Wie unterhält das Fernsehen?“ fragte der 1958 in Stockholm als Sohn eines AUA-Piloten Geborene Anfang der 80er in seiner Dissertation als Kommunikationswissenschafter.
Und wie das Fernsehen informiert, lernte Sicheritz in weiterer Folge durch Beiträge für das damalige ORF-Jugendmagazin „Ohne Maulkorb“ – bis 1988 eine niederschmetternde ärztliche Diagnose Knochenkrebs lautete: Sicheritz überwand die Krankheit (wie übrigens vor zwei Jahren auch Verletzungen nach einem schweren Autounfall) und belegte Regieseminare in Los Angeles.
Nach Wien zurückgekehrt, eröffnete Sicheritz' einstiges Engagement bei der Band „Wiener Wunder“ Kontakte zur Kabarettszene. Als dann Muttertag keine berauschenden Kritiken erntete, quittierte der Regisseur dies mit dem Verdacht, dass „sich die heimischen Kritiker dem Zustand der katholischen Kirche annähern und sich im Besitz der alleinigen Wahrheit glauben“.
Seither lachen sich Kabarettfilm-Fans und Kabarettfilm-Abstinenzler gegenseitig aus, was den Schluss zulässt, dass es zumindest zwei Wahrheiten geben könnte.
Eine dritte hat Sicheritz formuliert: „Filmemachen in Österreich ist ein Guerillakampf. Wenn Kassenerfolg in unserem Land ein Kriterium wäre – dann würden ganz wenige Filme hier entstehen.“