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Harald Sicheritz de
leer
Jahrhundertrevue
In der Provinz ist jeder Theatermensch ein Star, leicht erkennbar an entsprechenden Ängsten und Allüren. Eine historische Revue über die letzten 50 Jahre soll entstehen. Nachdenken über die österreichische Identität in bunten Sketches, die zwischen Parteibuch und Hainburg, Bruno Kreisky und Joschi Holaubek liegen. Eine gelungene Idee, glaubt der Intendant. Nur mit dem Schluss gibt’s ein Problem: „Die Leute sollen rausgehen und sich wohl fühlen.“ Nach einem Abend über österreichische Geschichte?

Ein altes Ehepaar in der Wanderausstellung, die Kriegsverbrechen der Wehrmacht dokumentiert: „So ist die linke Bagage. Übertreiben, ja, das haben sie können, die Russen. Alles gefälscht. Jetzt such ich dich schon die ganze Zeit, Heinzi, aber du bist ja auf keinem Foto drauf. Das hat man davon. Ignoranten!“

So eine Jahrhundertrevue macht Kopfzerbrechen. Und irgendwie muss man seine Seelenschmerzen ja auch behandeln. Der Regisseur säuft. Die Dramaturgin holt sich den Hauptdarsteller als Stütze für den Hormonhaushalt. Der Intendant stärkt sich mit der blonden Nebenrolle. Der Stadtrat will nur sichergehen, dass nichts Politisches auf die Bühne kommt. Dazwischen wird geprobt.

Am Ende sind alle zufrieden mit dem historischen Querschnitt durch die Alpenrepublik. Besonders der Stadtrat: „Gratuliere! Das war so viel, dass ich mich ans meiste gar nicht mehr erinnern kann. Aber es geht ja um österreichische Geschichte. Da passt das ganz gut.“
Sogar der Schluss ist gelungen. Typisch österreichisch, nämlich: alles hört auf, und dann geht’s doch irgendwie weiter.

HS  
Für mich, aber natürlich auch für die Schauspieler, war es eine große Herausforderung zu sagen – „okay, wir machen das jetzt genau so, wie es in einem Provinztheater im Jahr 1999 passieren würde“. Ich bin kein Freund des Klamauks, satirisch präzise zu sein halte ich für absolut ausreichend. Jahrhundertrevue war dem Fernsehen zu unbequem politisch, deswegen wurde der Film auch im Nachtprogramm versteckt und nie wiederholt. Ein zwingender Grund für mich, weiter für Veröffentlichung auf Streaming-Plattformen zu kämpfen.