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HS über Film de
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Interview geführt von Roland Teichmann
erschienen auf der Website des Österreichischen Filminstituts ÖFI im März 2014

Wie war für dich die Entstehungsgeschichte von Bad Fucking? Was war dein Antrieb, diesen Film zu machen? 
Bad Fucking, mein zehnter Kinofilm, hat eine untypische Entstehungsgeschichte. Untypisch insofern, als nicht ich für eine Idee Partner suchte, sondern die Produzenten mir den Roman von Kurt Palm schickten. Beim Lesen mochte ich die Grundstimmung und die Figuren sofort. Der Roman hat sehr viel mehr Plots als der Film. Auch die handelnden Personen habe ich bei der Adaption etwa um die Hälfte reduziert. Kurt Palm war der denkbar beste Partner. Er hat gern und mit Interesse gehört, was ich vorhabe, und mich von Anfang an zur Eigenständigkeit ermutigt. Was angesichts meines bisherigen Filmschaffens nicht überraschen sollte, ist meine Schwäche für Sittengemälde. Bad Fucking ist für mich ein österreichisches Sittengemälde, ein satirisches Statement zur moralischen Lage der Nation. Das macht die Rezeption meiner Filme für mich seit jeher so spannend. 

Was, im Besonderen, ist dabei spannend?
Im Gegensatz zu Bad Fucking ist Muttertag mittlerweile, nach 20 Jahren, aus der geschmacklichen Diskussion heraus, wird als Kultfilm bezeichnet, ist jedenfalls ein geschätztes Element der Gegenwartskultur. Zum Glück überlebt in der Kunst nur das Werk und nicht die kollektive Befindlichkeit dazu. Es ist aber sehr anstrengend, so lang warten zu müssen, bis die Gehässigkeiten der pragmatisierten Kritiker und der selbsternannten Eliten endlich aufhören. Schließlich wird jeder von uns gern zu Lebzeiten gelobt und anerkannt. 

Apropos Anerkennung: Bad Fucking ist ja wirklich ein sehr großer Erfolg geworden und hat momentan rund 115.000 Zuschauer. Wie erklärst du dir diesen Erfolg?
Ich führe ihn darauf zurück, dass der Film viele Menschen interessiert hat. Sonst wären sie nicht hingegangen. Das schöne Erlebnis, viele Zuschauer zu haben, kenne ich, seit ich Regisseur und Autor bin. Ich habe hingegen in meinem 20jährigen Filmschaffen keinen einzigen Festival-Preis bekommen und werde wahrscheinlich auch nie einen kriegen. Das ist halt so. Weil nicht sein kann, was nicht sein darf. 

Was macht denn für dich den österreichischen Film aus? 
Da gibt es ganz viele Dinge. Und das ist vielleicht schon meine Antwort, ganz spontan – die Vielfalt! Ich glaube, es gibt etwas kollektiv Österreichisches, das mir sympathisch ist. Ich bin gern ein Österreicher. Als Österreicher lernt man zum Beispiel mit Ambivalenzen gut umzugehen. Es gibt den Gedanken, dass der Konjunktiv die österreichische Form der Wirklichkeit sei. Da ist schon was dran. Und dieses „es kann jederzeit alles anders sein, als es gerade ist“, dieses Flüchtige, Relative, ist der Kunst im Allgemeinen zuträglich. Der Filmkunst im Besonderen geht es allerdings trotz der großen internationalen Erfolge der letzten Jahre im öffentlichen Bewusstsein des eigenen Landes relativ schlecht. Das liegt wahrscheinlich daran, dass Film im Gegensatz zu klassischer Musik oder Theater bei uns keine oder noch immer zu wenig Tradition hat. Das hat aber auch einen Vorteil – es fördert die Bisskraft unseres Filmschaffens. Eine ganz wichtige Eigenschaft. Dazu kommt, dass es in Österreich aufällig viele Damen und Herren gibt, die vom Filmemachen sehr viel verstehen. 

Und was macht für dich die heimische Filmbranche aus?
Die heimische Filmbranche ist klein. Und für mich, der irgendwann auch Kommunikations- und Politikwissenschaftler war, hat sie eine durchgängig höfische Struktur – konkret die eines kleinen Fürstenhofes. Und dort herrscht das „Günstlingswesen“. Das heißt, man setzt sich nicht primär mit Kunstwerken auseinander, sondern mit den Positionen, welche die jeweiligen Künstlerinnen und Künstler gerade einnehmen. Das ist schon speziell. Aber als Wiener bin ich diese kleinhöfische Struktur gewöhnt und auch die Nachteile, die sie mit sich bringt. Und, obwohl ich sie seit Jahrzehnten kenne, war ich bei Bad Fucking aufs Neue beeindruckt davon, wie vehement und vorhersehbar negativ die Reaktionen aus der Branche waren. Und natürlich die der Filmkritik. Da muss ich, als mit diesem Schwall von Leidenschaft allein Gelassener, den Eindruck gewinnen, dass die Filmkritik am ehesten für die Filmbranche und weniger fürs Publikum schreibt. Dort kommt sie zumindest am besten an. Und ich habe dann – zu Recht, weil belegbar – den Eindruck, dass man dem, was ich mache, mit einer Mischung aus Neid und Abscheu begegnet. Eine brisante Mischung. Würde ich – und das ist als Hypothese zulässig – den besten Film des Jahres auf dieser Welt fertigbringen, hätte ich bei keiner internationalen Festival-Jury und auch bei den Oscars keine Schwierigkeiten. Ich käme nur nie so weit – weil ich garantiert an der österreichischen Auswahlkommission scheitern würde. Es geht der Branche und der Kritik bei meinen Filmen nie ums Werk, sondern immer nur um meine Person. Wann immer man meine Arbeiten ins Ausland vordringen ließ, war es erfrischend umgekehrt. 

Gibt es irgendwas, das du am österreichischen Film vermisst? 
Wie schon gesagt, geht bei uns viel Energie für das neidvolle und intrigante Höflingswesen drauf. Was ich vermisse? Dass man mir auf Augenhöhe gegenübertritt – aber das erlebt man natürlich kaum, wenn das Gegenüber konsequent unter der Gürtellinie unterwegs ist. Ich bin die negativ qualifizierte Minderheit im österreichischen Filmschaffen. Zumindest hat man mich zu der stilisiert, weil ich Publikumserfolge hatte, habe und hoffentlich noch haben werde. Alles, was dem Publikum in auffälliger Art und Weise gefällt, kann keine Kunst sein. Das ist zwar keine spezifisch österreichische Dummheit, aber bei uns stark verbreitet. Ich würde mir jedenfalls wünschen, dass man Erfolgen wie den meinen mit mehr Toleranz und mir selbst auf Augenhöhe begegnet. 

Wie siehst du die Rolle der Filmförderung in der österreichischen Filmlandschaft? 
Dafür, dass die österreichische Filmförderung erfolgreich ist, gibt es einen simplen Beweis. Man muss nur die Bilanzen der letzten Jahre anschauen. Die sind doch sehr gut, oder nicht?

Durchaus. Aber siehst du irgendwo Verbesserungspotential? Findest du, dass die momentane Form der Entscheidungsfindung mit einer Kommission die richtige ist? Die beste? 
Ich glaube, eine ideale Filmförderungsstruktur kann es nicht geben. Da geht es um Ideen für Kunst, da wäre das ein Widerspruch in sich. Es wird immer irgendetwas geben, das irgendjemandem zu Recht nicht passt. Ich bin aus Erfahrung unsicher, ob Beiräte wirklich das non plus ultra sind. Ich könnte zum Beispiel mit einem Intendantenprinzip genauso leben – vor allem, wenn es nicht nur eine oder einer ist. Es gibt ja das vielzitierte dänische Modell, wo man sich aussuchen kann, zu welcher Intendanz man geht. Wenn du nämlich bei zwei Kommissionen einreichst, kannst du es ganz sicher einer nicht recht machen. Das ist so. Ich durfte zwei Perioden lang selbst in der Auswahlkommission des ÖFI sitzen. Dort sind die Befindlichkeiten die des Moments. Aber ein favorisiertes Lieblingsmodell kann ich ad hoc nicht bieten – allen Menschen recht getan, ist eine Kunst, die niemand kann. 

Wo steht denn der österreichische Film deiner Meinung nach jetzt gerade? 
Er steht gut da! Das hat aber überhaupt nichts Dauerhaftes. Kann es ja per se nicht haben, weil Kunst und Leben Prozesse sind. Und jede Art von verliehener Auszeichnung, jeder Preis ist nichts als in Statuetten gegossene, intellektuelle Willkür. Das hat etwas Zufälliges in sich, aber auch was Gruppendynamisches. In jedem Fall nicht Zuverlässiges. Und für die Filmförderung wird es darum gehen, dass man die Menschen, die neu kommen, genauso wahrnimmt, wie die Leute, die sich zu Recht etablieren konnten. Nicht leicht, diese Balance zu halten. Jedem, dem das Filmschaffen wirklich wichtig ist, muss aber eindeutig klar sein, dass es sowohl um das eine als auch um das andere gehen muss! 

Wie würdest du deine Philosophie als Regisseur beschreiben? 
Ich bin ein leidenschaftlicher Geschichtenerzähler. Ich gehöre zu den Menschen, die glauben, dass man in der Kunst sehr wohl Haltung und Standpunkte braucht. Das ist das erste, das mir zu mir einfällt. Und, dass ich jemand bin, dem es wirklich Unbehagen und Ärger bereitet, wenn er bemerkt, dass Menschen der Kunst a priori die politische Dimension verweigern. Daran erkennt man sie sofort, die Bildungsspießbürger - egal, ob sie Kapuze oder Krawatte tragen. Die Kunst ist natürlich genauso politisch wie alles andere auch – ganz massiv sogar. Meist implizit, selten explizit. Kunst ist wunderbar vieles, aber eben auch eine Auseinandersetzung mit dem Sozialsystem, welches diese Kunst hervorbringt. Ich halte mich für einen Filmemacher, dem das Politische wichtig ist. Weil es mir nicht egal ist, welche Bilder und Emotionen ich beim Publikum erzeuge. Deswegen habe ich auch so großes Interesse an Geschichten aus der Geschichte. Die faszinieren mich, weil sie so unangestrengt, vom Banalen losgelöst, etwas erklären können, womit wir uns in der Gegenwart oft ratlos herumschlagen. 

Magst du über den ORF reden? 
Österreich ist ein kleines Land. Und deswegen sind die erwähnten, kleinhöfischen Strukturen natürlich auch beim Fernsehen bemerkbar. Regisseurinnen und Regisseure sollten jedenfalls immer sowohl Dinge fürs Fernsehen als auch fürs Kino machen können. Das geht bei uns, und das halte ich für wirklich gut. Die österreichischen „Tatort“-Krimis, hört man in Deutschland oft, seien unter anderem auch deshalb bei Kritik und Publikum so erfolgreich, weil sie fast ausschließlich von erfahrenen Kinoleuten inszeniert werden. Was fällt mir noch zum ORF ein? Dass das österreichische Fernsehredakteurswesen sehr gut ist. Ansonsten bin ich bekanntlich ein Verfechter des öffentlich-rechtlichen Prinzips und Auftrags.

Wie schauen denn deine nächsten Projekte aus, was hast du vor? 
Spricht man gern über ungelegte Eier? Als Ungeliebter am kleinen Fürstenhof des österreichischen Films? Sicher nicht! Aber ich brüte natürlich welche aus. 

Möchtest du abschließend noch etwas sagen? 
Ich habe in meinem Leben schon ziemlich viele Interviews gegeben, aber so gut wie nie hat ein österreichischer Filmkritiker mit mir gesprochen. 1998 hat Reinhard Tramontana ein Interview mit mir geführt, 3 Seiten im „profil“. Das war das letzte Mal, dass ein Filmkritiker mit mir über Film gesprochen hat. Einer meiner treuen Kritikerfeinde hat mir geschrieben, es sei gut, dass wir einander nicht persönlich kennen. Wahrscheinlich hat er Angst vor einer Beißhemmung. Um nochmals mein Bild von vorhin zu benutzen – würden meine Gegner sich von unter der Gürtellinie zur Augenhöhe aufrichten, könnten sie an mir durchaus Menschliches, eventuell sogar künstlerisch Wertvolles entdecken.